Gedanken Jusos Oranienburg zum russischen Angriffskrieg

Was ist Freiheit? Bedeutet Freiheit die Freiheit der einen immer auch Unfreiheit für andere? Und was können Waffenlieferungen in diesem Kontext bedeuten? Ein Oranienburger Jungsozialist teilt seine Gedanken zum brutalen Angriffskrieg Russlands.

Ein Appell für die Benennung der Straße am Aderluch nach „Minette von Krosigk“

Für die Benennung der Straße am Aderluch schlagen wir Minette von Krosigk vor. Sie war als „Mutter der Stolpersteine“ verantwortlich für die Stolpersteine und organisierte nahezu alle Verlegungen in Oranienburg und Umgebung. Zur Pflege der Steine regte sie jährliche Putzaktionen an, die bis heute von der Stadt weitergeführt und verstetigt wurden. Ihre Expertise als Journalistin und ihre vielfältigen Erfahrungen bereicherten die Arbeit des Forums und seine Bekanntheit in der Region. Als starke Frau gestaltete sie die wichtigen Anfangsjahre des bisher eher männlich geprägten Forums gegen Rassismus und rechte Gewalt maßgeblich mit, brachte neue Qualität ein und begeisterte viele Generationen für lokale Erinnerungsarbeit. Sie motivierte Schüler:innen zu konkreten Recherchen über „jüdische Menschen in Oranienburg und ihre Verfolgung“. Mit ihren Geschichten wird in vielen Schulprojekten weitergearbeitet, um die Erinnerung und Mahnung an Vergangenes zu erhalten.  

Mutig stellte sie sich den Phänomenen des Rechtsextremismus entgegen und bezog zu jeder Zeit, in jeder Position klare Haltung. Professionell forschte sie im Bereich Nationalsozial- und Rechtsextremismus in Deutschland mit dem Schwerpunkt Oranienburg und ließ insbesondere Geschichten und Schicksale aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 wieder lebendig werden lassen. Sie hat Zeitzeugen, Überlebende und Nachfahren kontaktiert, zu den Verlegungen eingeladen und gemeinsam mit Schüler:innen eindrucksvolle Veranstaltungen organisiert.

Sie war Mitbegründerin des Fibb e.V., der bis heute eine wichtige zivilgesellschaftliche Säule in Oranienburg und im Landkreis ist. Zudem initiierte sie den Vorgänger von „Demokratie Leben“ „Civitas – initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“ und verhalf der Kontinuität zivilgesellschaftlichen Engagements in Oberhavel zur Sichtbarkeit. Ihr Einsatz und Engagement für ein weltoffenes und tolerantes Oberhavel sind beispielhaft und haben Vorbildwirkung. Sie wurde am 26. September 2020 mit dem Ehrenpreis für Toleranz und Zivilcourage des Landkreises Oberhavel ausgezeichnet.

Darüber hinaus war sie für drei Jahre Geschäftsführerin des Netzwerkbüros im Zentrum Oranienburg, mit den Schwerpunkten: Aktionen gegen Rechts, Angebote für historisch-politische Bildungsarbeit und Bildungsarbeit durch integrative und interkulturelle Projekte mit Jugendlichen und Geflüchteten, Spätaussiedler:innen und jüdischen Kontingentflüchtlingen. Im Rahmen von Geschichtswerkstätten wurde die besondere Rolle Oranienburgs und seiner nationalsozialistischen Vergangenheit thematisiert. Insgesamt umfasste ihre Arbeit kontinuierliche inhaltliche Auseinandersetzungen mit gegenwärtigen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und rechter Gewalt im Landkreis Oberhavel durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit.

In einem ihrer Sachberichte hieß es: „Die Chance der Stadt Oranienburg und umliegender Orte liegt im verantwortungsbewussten Umgang mit ihren historischen Orten. Nur dadurch erscheint eine Emanzipierung von den traumatischen Erfahrungen möglich zu werden.“ 

An diese Worte sollten wir denken, bevor auf dem Gebiet des ehemaligen Außenkommandos „Zeppelin“ des KZ Sachsenhausen eine Straße nach einer umstrittenen Person benannt werden soll.

Ein Appell gegen die Benennung der Straße am Aderluch nach „Gisela Gneist“

Wir Jusos sprechen uns dezidiert gegen die Benennung der Straße am Aderluch nach Gisela Gneist aus und möchten im Folgenden aufzeigen, weshalb wir ein derartiges Vorhaben für nicht tragbar halten.

Gneist war eine ehrenamtlich außerordentlich engagierte Persönlichkeit. Sie setzte sich als Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e.V.“ für die Aufarbeitung der Gräueltaten im Speziallager der Sowjetunion ein. Allerdings blieb es dabei. Sie engagierte sich zur Zeit eines Transitionsprozesses ostdeutscher Gedenkstätten, die, in kommunistischer Ideologie getränkt, der Legitimation der SED-Herrschaft dienten und sich unter
Vernachlässigung anderer Opfer der NS-Zeit einseitig der Verfolgung kommunistischer Opfer widmete. Die Unterbringung in einem sowjetischen Speziallager mit seinen erbärmlichen Bedingungen (35 % der Inhaftierten
starben an Hunger und Krankheiten) darf im Rahmen einer demokratischen Erinnerungskultur nicht unbeleuchtet bleiben. Wir halten es mit der von Faulenbach geprägten Formel: Stalinisitsche Verbrechen sollen durch den
Hinweis auf NS-Verbrechen nicht bagatellisiert werden.

Allerdings besagt diese Formel auch, dass im Gegenzug NS-Verbrechen durch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Stalinismus in keiner Weise relativiert werden dürfen. Das neue Wohngebiet „Aderluch“, dessen Straße nach Gneist benannt werden soll, befindet sich auf dem Gebiet, auf dem früher das Außenkommando „Zeppelin“ des KZ Sachsenhausen stand – in dem zwischen 1942 und 1945 vor allem Minderjährige unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit leisten mussten. Dieses Gebiet hat nichts mit dem historischen Speziallager zu tun. In diesem Gebiet einen Straßennamen von Opfern aus beiden Epochen zu wählen, kann nach Einschätzungen aus internationalen Fachkreisen den deutlichen (wenn auch ungewollten) Eindruck einer symbolischen Gleichsetzung bedeuten. Insbesondere kann dieser Eindruck entstehen, wenn mit keinem der übrigen Straßen im neuen Wohngebiet an die über 700 im Außenlager gequälten KZ-Häftlinge erinnert wird.

Gneists Verhalten nach dem Mauerfall änderte sich nicht: 2005 unterzeichnete sie einen geschichtsrevisionistischen Aufruf zum 60. Jahrestag des Kriegsendes des rechtsextremen Publizisten Götz Kubitscheck. Sie hat sich laut Gutachten
des Zentrums für Holocaust-Studien beim Institut für Zeitgeschichte München Berlin (IfZ) gegen die bundesdeutsche Erinnerungskultur gestellt und sich jeder differenzierten Diskussion um ehemalige NS-Täter in den Reihen der Speziallager-Häftlinge verweigert. Sie hat „keine Berührungsängste“ zum Rechtsextremismus gezeigt und sich regelmäßig in enger Verbindung mit verschiedenen Personen am rechtsextremen Rand eingeigelt. Gneist glitt in
antisemitische Verschwörungstheorien ab und unterstellte Positionen von Historiker:innen, eine gesponserte, von Interessen diktierte „Loyalitätserklärung“ zu sein. Sie hätten sich im Spannungsfeld von Objektivität und Parteilichkeit prostituiert. Dem früheren Gedenkstättenleiter Günter Morsch warf sie vor, dass er sich das Wohlwollen des Zentralrats der Juden und der jüdischen Opferverbände erkaufen wolle.

Die Reaktion seitens mit dieser Thematik befassten Menschen zeichnet ein deutliches Bild ab: Der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll, lehnt eine Benennung der Straße nach Gneist ab. Das IfZGutachten kam zu dem Ergebnis, dass Gneist eine „problematische Haltung“ zur Aufarbeitung des NS-Regimes hatte. Zuvor hatten Angehörige von KZHäftlingen, das Internationale Sachsenhausen Komitee und der internationale Beirat der Gedenkstättenstiftung gegen die Entscheidung der Stadtverordneten protestiert.

Stadtverordnete Argumentieren wie folgt: „Wir dürfen nicht nur schwarz und weiß sehen – wahrscheinlich gehört Frau Gneist zu den Grautönen.“ Allerdings reicht ein vages „wahrscheinlich“ hier nicht. Nach dem Gutachten ergibt sich:
Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei Frau Gneist um keinen Grauton. Höchstwahrscheinlich ist Frau Gneists Vergangenheit dunkel. Und vielleicht sollte man sich hier an Sachverständige und nicht an Stadtverordnetenkolleg:innen orientieren. Wissenschaft muss hier einmal mehr den Vorrang erhalten.

Wir dürfen vor der Gefahr eines „Ping-Pongs“ unserer SVV bei der Benennung einer Straße keinen Halt machen. Ungeachtet der Realitätsnähe dieser Aussage in Anbetracht der SVV-Mehrheitsverhältnisse, darf unsere tief verankerte
Haltung nicht aus politischem Kalkül vor Rechtsgesinnten gelockert werden. Wir zeigen klare Kante gegen rechts, seit 158 Jahren.

Wie sich schon anhand von Heinrich Bütefisch oder Friedrich Flick zeigte: Der Erhalt des Bundesverdienstkreuzes ist nicht notwendigerweise ein Zeichen von Menschlichkeit. Historische Kontinuitäten im Personen machen vor dieser
Ehrung keinen Halt. Um bei der Benennung einer Straße von ihr abzusehen, muss sie kein schlechter Mensch gewesen sein. Wir sollten der Gedenkstättenleitung und dem Zentralrat der Juden folgen: Anstatt eine jedenfalls fragwürdige Namensgeberin zu wählen, sollte in einem derart sensiblen Kontext, an einem solch historischen Ort eine unbescholtene Persönlichkeit für die Straßenbezeichnung ausgesucht werden.

Gedanken zum aktuellen Weltgeschehen

Zurzeit gehen wieder einmal erschütternde Bilder durch die Medien. Wir sind entsetzt über den andauernden Terror der Hamas. Über 1000 Raketen, unter anderem finanziert über EU-Fördergelder, wurden in den letzten 48 Stunden auf Israel abgefeuert. Der Hamas ist egal, ob sie jüdische Israelis, arabisch-muslimische Israelis, Christ*nnen oder arabische Palästinenser*innen töten. Die Räumung von Wohnungen in Sheikh Jarrah, weil sich die Bewohner*innen weigern Miete zu zahlen, ist ein rechtsstaatlicher Vorgang. Unmut darüber ist verständlich, rechtfertigt jedoch niemals Terror und Gewalt. Ohne den Iron Dome stünde Israel wieder einmal vor einer humanitären Katastrophe. Wer in Deutschland Synagogen und jüdische Mitmenschen angreift und ein „freies Palästina zwischen Jordan und Mittelmeer“ fordert, ist kein*e Aktivist*in, sondern Antisemit*in und fordert die Auslöschung Israels. Wir verurteilen jegliche Form von Terrorismus und Gewalt gegenüber jüdischen Mitbürger*innen und Israel. Eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen den arabischen Palästinenser*innen und Israel kann nur am Verhandlungstisch stattfinden. Dafür müssen Hamas, Fatah und PLO den Terror einstellen.

Mazel Tov zum 73.!

Israel feiert heute den Jom haAtzma’ut, den „Tag der Unabhängigkeit“. Vor 73 Jahren, am 14. Mai 1948 erfolgte die israelische Unabhängigkeitserklärung. Seit der Gründung des Staates ist Israel Schutzraum für Jüdinnen und Juden. Weltweite Verfolgung und Pogrome zeigten und zeigen die Notwendigkeit dieses Schutzraumes. Von Beginn an mussten Jüdinnen und Juden diesen Schutzraum mit ihrem Leben beschützen. Seit 1948 sind 23,928 israelische Soldat:innen in der Verteidigung ihrer Heimat gefallen und 3,158 Zivilist:innen wurden durch Terrorist:innen ermordet. Schicksale wie das von David Guttmann sind besonders anschaulich, David überlebte das Konzentrationslager Auschwitz und fiel 1948 nach dem Überfall arabischer Armeen auf den neu gegründeten Staat Israel. Unter der langen Liste israelischer Opfer befindet sich auch Yonathan Netanyahu. Der Bruder des in der (linken) Kritik stehenden Benjamin Netanyahu fiel in der Operation Entebbe. Yonathan kommandierte die Sajareth Matkal, welche israelische Geiseln aus der Hand palästinensischer und deutscher linksextremer Terrorist:innen befreite. Trotz der permanenten Gefahr durch Terror und Krieg ist Israel eine blühende Demokratie. Vor kurzem hat bereits die vierte Wahl seit 2 Jahren stattgefunden. Obwohl Israel ein jüdischer Staat und jüdischer Schutzraum ist, ist Israel auch multikulturell geprägt. Christ:innen, Araber:innen, Muslim:innen, (ultra-)orthodoxe Jüd:innen und andere religiöse Minderheiten wie die Bahai leben in Israel in einer diversen Gesellschaft zusammen. Die Knesset ist deutlich diverser als unser Bundestag und zeigt, dass politische Teilhabe von gesellschaftlichen Minderheiten sehr gut funktionieren kann. Grundsätzlich findet jährlich (pandemiebedingt zuletzt 2019 mit 250.000 Besucher:innen) die Tel Aviv Pride Parade statt für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern oder Nichtbinären.
Geimpfte Tourist:innen können ab dem 23.Mai.2021 wieder nach Israel einreisen, eine gute Gelegenheit Vorurteile abzubauen und ein interessantes Land kennenzulernen!

Shalom uBracha,
Jusos Oranienburg!

19. Februar

Mölln, Rostock, Halle, Istha, Hamburg, Solingen, Garbsen, Hannover, München, Berlin und am 19.02.20: Hanau. Heute vor einem Jahr wurden Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu von einem Rassisten und Neo-Nazi in Hanau ermordet. Der Täter erschoss die Opfer in einer Bar, einem Kiosk, einem Lokal und auf einem Parkplatz. Noch immer sind etliche Fragen ungeklärt. Warum waren die Notrufleitungen nicht besetzt? Hat die Polizei angeordnet die Notausgänge der Arena Bar verschließen zu lassen? Warum erhielten die Familienangehörigen der Opfer Gefährderansprachen durch die Polizei? Warum wurden die Leichen ohne Rücksprache mit den Familien obduziert?
Der Großvater von Filip Goman, der Urgroßvater von Mercedes Kierpacz
wurde im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz vergast. Mercedes wird 2020 von einem Neo-Nazi erschossen, weil sie Rom:nja waren. 2021 diskutieren Prominente im Fernsehen ob wir das Z-Wort noch sagen dürfen. Deutschland hat ein Rassismus-Problem. Die Zuschreibung von Andersartigkeit reproduziert rassistische Denkmuster. Hamza Kurtović hatte blonde Haare und blaue Augen, die Polizei beschrieb sein Äußeres als typisch orientalisch. Die Opfer waren keine Fremden, sie waren keine ‚Anderen‘. Sie waren Hanauerinnen und Hanauer, Deutsche. Sprache ist mächtig, Begriffe wie „Migrationshintergrund“, „Clan-Kriminalität“, „südländisches Aussehen“ oder „kulturelle Unterschiede“ stigmatisieren komplette Teile unserer Bevölkerung und bieten Ansatzpunkte für rassistische Ideologien. Wie viele rassistische und rechtsextreme Morde müssen noch geschehen, bis die Gesellschaft aufsteht?

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